Motiv hat Einfluss auf Erinnerungen von Augenzeugen

Motiv hat Einfluss auf Erinnerungen von Augenzeugen

Aktuelle Untersuchungen von Wissenschaftlern der Universität Osnabrück brachten ans Licht, dass Augenzeugen sich in ihren Erinnerungen beeinflussen lassen, wenn sie das Motiv des Täters offenbart bekommen.

Augenzeugenberichte als zentrales Beweismittel nicht immer glaubwürdig

Augenzeugen sind in den meisten Fällen von Verbrechen und Straftaten ein zentrales Beweismittel, dem alle Ermittler eine große Wichtigkeit beimessen. Diese zentrale Rolle der Berichte von Personen, die einen Tathergang beobachtet haben, also Augenzeugen wurden, ist nicht unbegründet. Es wird davon ausgegangen, dass diese Personen genau das wiedergeben, was sie erlebt, gesehen oder gehört haben. Zahlreiche Untersuchungen und Studien zu diesem Thema belegen jedoch, dass diese Annahme nicht immer zutrifft. Auch bei Augenzeugen kann es häufig vorkommen, dass sich die Erinnerungen verzerren oder die betreffenden Personen schlicht und einfach nicht die Wahrheit sagen.

Bösartigkeit oder doch Notwehr?

Ein Team von Psychologen des Bereichs der Forensik der Universität Osnabrück gingen nun einem besonderen Bereich dieses Phänomens auf den Grund. Sie untersuchten den Zusammenhang zwischen den Aussagen von Augenzeugen und der eventuellen Kenntnis des Tatmotivs. Zu diesem Zweck luden sie 208 Probanden zu einem Experiment ein. Die Teilnehmer bekamen zu Beginn einen Filmausschnitt gezeigt, der davon handelt, dass vier Männer von einer Frau getötet werden. Dieser Ausschnitt wurde allerdings ohne Ton abgespielt. Anschließen bekamen die Probanden ganz unterschiedliche mögliche Tatmotive vorgestellt. Eine Gruppe bekam beispielsweise erklärt, die Täterin sei wütend und voller Hass. Eine andere wiederum ging davon aus, die Frau sei in einer Notlage gewesen und habe sich bloß gewehrt.

Richtig oder falsch, wie hat es sich zugetragen?

Somit wurden zwei gänzlich verschiedene Motive erstellt: Mord aus purer Bösartigkeit auf der einen Seite und Notwehr auf der anderen Seite. Die Teilnehmer des Experiments sollten nun mit Kenntnis des Motivs über die Strafe der Täterin entscheiden. Dabei sollten sie unter anderem angeben, inwieweit sie sogar die Todesstrafe befürworten würden. Außerdem wurden die Probanden einem Test unterzogen. Ihnen wurden wahre und verfälschte Details des Filmausschnittes präsentiert. Anschließend mussten sie entscheiden, ob sich der Tathergang tatsächlich so zugetragen hatte oder nicht.

Man sieht, was man sehen will

Schnell kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Teilnehmer in zahlreichen Fällen auch die verfälschten oder sogar völlig falschen Details als wahr empfanden und sich daran zu erinnern glaubten, wenn diese genau zu ihrem Tatmotiv passten. Viele der Testteilnehmer erzählten beispielsweise, die Frau habe ihre Opfern vor der Tat brutal mit einem Messer gedroht, auch wenn dies nicht der Fall war, nur, weil sie an die Bösartigkeit der Täterin als Motiv glaubten. Bei der Gruppe, die von Notwehr ausging, war ein ähnliches Phänomen zu beobachten: Zahlreiche Probanden berichteten, die arme Frau sei zuvor massiv bedroht worden und habe daher keine andere Wahl gehabt, als sich zu verteidigen, obwohl dies aus dem gezeigten Filmausschnitt nicht ersichtlich gewesen war.

Beide Gruppen konnten jedoch falsche Details, die ihrem zuvor genannten Motiv widersprachen, eindeutig identifizieren. Außerdem forderten diejenigen, die von der Bösartigkeit der Frau überzeugt waren, deutlich eher die Todesstrafe als die Kontrollgruppe. Damit schlossen die Psychologen der Universität Osnabrück darauf, dass die Kenntnis des Motivs eindeutig die Berichte von Augenzeugen beeinflussen kann.

 

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