War ich tatsächlich schwanger?
Es ist kaum vorstellbar, doch manche Frauen scheinen nicht zu bemerken, dass sie schwanger sind. Meist werden sie als naiv abgestempelt. Doch es gibt durchaus Gründe, aus denen eine Frau ihre Schwangerschaft verdrängen kann.
Plötzlich Mutter
Plötzlich, wie aus dem Nichts, ist ein Baby da. Ohne Vorbereitung, ohne Vorwarnung. Wie soll das funktionieren, ohne dass die Frau selbst etwas von ihrer Schwangerschaft bemerkt, denken viele. Peter Rott ist Frauenarzt und Psychotherapeut, er erzählt, dass die sogenannte „Gravitas suppressalis“, die verdrängte Schwangerschaft, gar nicht mal so selten vorkomme. Ungefähr eine von 500 Schwangeren sei betroffen und merke ihren Umstand nicht. In Deutschland beläuft sich die Zahl auf rund 1300 pro Jahr, bei 270 dieser Fälle werde die Schwangerschaft sogar erst unmittelbar bei der Geburt festgestellt, so der Rott.
Man spricht von einer verdrängten Schwangerschaft, wenn die Frau ihren Umstand bis zur 20. Woche nicht bemerkt. Eine Schwangerschaft dauert in der Regel etwa 40 Wochen, die Betroffenen sind sich also die Hälfte der Zeit über nicht bewusst, dass sie bald ein Kind erwarten.Viele Experten unterscheiden jedoch noch einmal zwischen verdrängter und verleugneter Schwangerschaft. Der Unterschied liegt hierbei in der Wahrnehmung der werdenden Mutter. Während bei einer verdrängten Schwangerschaft laut Rott die Gefühle komplett im Unterbewusstsein verschwinden, ist Frauen bei einer verleugneten Schwangerschaft durchaus bewusst, dass sie ein Kind bekommen, doch dieser Gedanke wird weggeschoben.
Es liegt in der Natur des Menschen schmerzliche Ereignisse nur schrittweise anzuerkennen und sich selbst vor inneren Konflikten zu schützen, so der Psychotherapeut. Dieses Phänomen kennen wir alle, zum Beispiel bei unbezahlten Rechnungen. Doch wird der innere Konflikt zu groß, kann es dazu kommen, dass wir ihn in unser Unterbewusstsein abschieben. Bei den betroffenen Schwangeren passt ein Kind beispielsweise nicht in die momentane Lebenssituation und erzeugt damit einen schwerwiegenden Konflikt.
Eine verdrängte Schwangerschaft ist gar nicht so selten
Im Jahr 2002 veröffentlichten Mediziner der Humboldt-Universität Berlin eine umfassende Studie zu diesem Thema. Ein Jahr lang untersuchten Jens Wessel und Ulrich Büscher 62 Fälle von verdrängten Schwangerschaften. Bei 25 der Teilnehmerinnen wurde die Schwangerschaft erst mit dem Einsetzen der Wehen entdeckt. Laut Meinung der beiden Mediziner treffe die allgemeine Ansicht, verdrängte Schwangerschaften seien äußerst selten, nicht zu. Auch gebe es kein spezifisches Profil für Betroffene, das Phänomen ziehe sich durch alle Klassen und Altersgruppen. Eine leicht stärkere Tendenz sei zwar bei sehr jungen Frauen sowie bei Frauen, die glaubten nicht mehr schwanger werden zu können, beobachtet worden, doch sei dieser Wert nicht sonderlich signifikant.
Auch das Vorurteil, eine verdrängte Schwangerschaft entstehe nach einem One-Night-Stand, konnte durch die Studie widerlegt werden. 80 Prozent der Frauen befanden sich in einer festen Beziehung und sogar die Hälfte der Betroffenen war vorher bereits ein- oder mehrmals schwanger. Doch wie kann dies sein? Rott erklärt, dass man, wenn man etwas verdrängt, viele Anzeichen leicht umdeuten kann. Die Bewegungen des Kindes im Bauch, werden dann zu einfachem Bauchgrummeln, die Gewichtszunahme wird auf eine schlechte Ernährung zurückgeführt. Und Frauen, bei denen die Monatsblutungen sowieso unregelmäßig sind, machen sich auch darüber wenig Gedanken, so der Experte. Nicht zu unterschätzen sind außerdem die Folgen einer solchen unvorbereiteten Schwangerschaft. Meist bedürfen die Mütter der Neugeborenen noch einige Zeit nach der teilweise überraschenden Geburt psychologischer Hilfe.
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