Suizid belastet auch den Psychotherapeuten
Alle paar Minuten suizidiert sich ein Mensch. Er tötet sich selbst, nimmt sich das Leben. Die Gründe sind mannigfaltig. Einige Betroffene befinden sich in therapeutischer Behandlung – andere wiederum nicht. Es muss nicht immer eine psychische Störung Auslöser für eine derartige Handlung sein, kann aber. Manchmal gibt es eine Ankündigung für den Freitod und in anderen Fällen geschieht das für die Außenstehenden scheinbar plötzlich und unerwartet. Spätestens seit der Suizidwelle nach dem Erscheinen von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ ist bekannt, dass suizidales Verhalten höchst ansteckend ist.
Der Suizid von Patienten belastet auch den behandelnden Arzt
Etwa jeder tausendste Patient eines Psychotherapeuten nimmt sich das Leben. Zum einen kann der behandelnde Arzt eventuell voller Selbstzweifel werden, gibt sich selbst vermutlich die Schuld, zum anderen sind es aber auch die schockierten und verletzten Angehörigen, die einen Schuldigen suchen und diesen in der Person des Psychiaters oder der psychiatrischen Einrichtung auch schnell finden. Dieser darf dann keinen Zweifel an seiner Unschuld lassen, da er sich sonst unter Umständen juristisch belangbar macht.
Der Psychiater Michael Kammer-Spohn erzählt in der „zeit-online“ über seine Erfahrungen und Gefühle mit dem Suizid von Patienten. Es passiert immer wieder, dass auch ein ausgebildeter Fachmann, wie ein Psychiater, seinem Patienten nicht helfen kann. „Psychiater neigen dazu, den Fehler bei sich zu suchen – nicht wenige sind dadurch stark Burn-out-gefährdet.“, meint Kammer-Spohn. „Klar ist, als Arzt ist mir keiner meiner Patienten egal.“ Auch der Psychiater, selbst sehr angeschlagen, ist auch in dieser Situation gezwungen zu funktionieren: Eventuell muss er den Toten sogar identifizieren.
Es müssen Ärztekollegen, beispielsweise der Hausarzt informiert, Gespräche mit den Angehörigen geführt und Trost zugesprochen und auch die Mitarbeiter der entsprechenden Abteilung oder Praxis müssen beruhigt werden. Meist muss der behandelnde Psychiater die Ermittlungen der Polizei über sich ergehen lassen. Sehr wichtig ist dann auch, dass die Dokumentation vollständig und fehlerlos ist, damit kein juristischer Ansatzpunkt für eine Schuldzuweisung herausgelesen werden kann. Solche Verfahren ziehen sich oft jahrelang hin und kosten viel Kraft. Viele Psychotherapeuten, denen eine derartige Entwicklung widerfahren ist, befinden sich inzwischen selbst in therapeutischer Behandlung und suchen bei einem Supervisor Unterstützung. Auch sie sind Menschen mit Emotionen und Ängsten und brauchen daher Raum für ihre Gefühle.
Sie schädigen zudem das eh schon geschwächte Ansehen des Psychiaters und der Psychiatrie in der Öffentlichkeit. Kein Wunder, dass sich frisch ausgebildete Ärzte eher in andere Richtungen spezialisieren, wenn sie damit rechnen müssen nicht nur juristisch, sondern auch in den Medien zur Rechenschaft gezogen zu werden. Michael Kammer-Spohn berichtet davon, dass aufgrund der mangelnden Wertschätzung und der drohenden juristischen Verwicklungen die Distanz bei den Gesprächen zwischen Angehörigen und Arzt meist groß ist und so ein echtes Gespräch zwischen den dahinterstehenden Menschen kaum möglich ist. Dabei sollte die Therapiesitzung eine Möglichkeit sein intensiv Zeit mit sich zu verbringen und dem Selbst einzuräumen. Er schließt mit den Worten: „Es ist eine Illusion, zu meinen, Glück und Gesundheit seien Rechte und von der Medizin einzufordern. Scheitern ist ein notwendiger Teil jedes Lebens. Auch jenes eines Arztes. Das “Scheitern” sich und anderen zuzugestehen macht das Leben menschlich und letztendlich lebenswert.“
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