Aufstieg im Beruf = Sinken moralischer Werte?
Man kann sie überall treffen, in jedem Metier, in jedem Alter: die Aufsteiger, die mit dem Erklimmen jeder neuen Sprosse der Karriereleiter ein Stück Moral zu verlieren scheinen. Ist das eines der unabänderlichen Schicksale unserer heutigen Berufswelt? Kann man nur Karriere machen, wenn man die Moral hinter sich lässt – oder bleibt die Moral automatisch auf der Strecke, wenn man Karriere macht?
An vielen Stellen des Berufslebens (aber nicht nur dort) ändern sich die Perspektiven, wenn man sich in eine andere Position begibt. Und wer – um beim hierarchischen Bild der Karriereleiter zu bleiben – weiter nach oben kommt, dem eröffnet sich ein größeres Panorama. Das bedeutet, er gewinnt neue Einsichten, etwa in die Interna eines Unternehmens. Er erfährt so Dinge, die ihm vorher verborgen waren. Und er findet sich neuen Personen und Gruppen gegenüber, deren Interessen er ins Kalkül ziehen muss.
Es erweitert sich nicht nur sein Horizont, sondern auch das Geflecht der Rücksichtnahmen, der Verantwortung und die Menge der Handlungsoptionen. Oft glauben die früheren Kolleginnen und Kollegen sich von jemandem verraten, der in eine höhere Position berufen wurde und sich dort dem Anschein nach ganz anders verhält als zuvor. Sie sehen nicht, dass sich durch den beruflichen Aufstieg für diese Person die Aufgaben und deren Kontext verändert haben. Es sind neue Bedingungen, denen er oder sie nach einem Aufstieg gerecht werden muss.
Neue Perspektiven führen zu neuen Erkenntnissen. Mahatma Ghandi sagte: „„Konsequenz ist keine absolute Tugend. Wenn ich heute eine andere Einsicht habe als gestern, ist es dann für mich nicht konsequent, meine Richtung zu ändern? Ich bin dann inkonsequent meiner Vergangenheit gegenüber, aber konsequent gegenüber der Wahrheit.“ Was als eine Aufgabe früherer moralischer Standpunkte erscheint, kann durchaus auch gerade ein Zeichen von Integrität sein. Doch natürlich gibt es auch andere Beispiele. Für diese gilt meist das Sprichwort: „Der Fisch stinkt vom Kopf.“
Wenn seitens der Führung eines Unternehmens eine Kultur geschaffen wird, in der nur jene eine Chance auf eine Karriere besitzen, die sich als besonders rücksichtslos erweisen, so wird dadurch natürlich mit jedem beruflichen Aufstieg ein Stückchen moralischen Anspruchs auf der Strecke bleiben. Allerdings ist – frei nach dem Prinzip des „Flaschenzugs“ – ohnehin nicht wirklich damit zu rechnen, dass es in einer solchen Kultur Menschen gibt, die wesentlich anders funktionieren und an diesem System Schaden nehmen können. Denn sie werden sich sehr schnell und endgültig aus diesem Einflussgebiet entfernen.
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