Selbstoptimierung
Haben Sie sich letzter Zeit mal in Bücherläden umgeschaut? Sie sprießen wie Unkraut: die Ratgeber, die Anleitungen zum Glück, die Selbsthilfebücher und –broschüren. Natürlich bleiben auch Zeitungen und Zeitschriften nicht verschont – Fernsehen und Internet natürlich ebenfalls nicht. Überall kann man es lesen: Der Schlüssel zum Glück ist: Jeder kann sich ändern.
Wie kann ich mich selbst optimieren?
Die Antwort ist einfach dahergesagt – mit Selbstdisziplin. Zu Hilfe kommen da neben Messgeräten, sogenannten Trackern, verschiedene Programme für den PC und allerlei Apps für das Smartphone. Es werden nicht nur die Schritte gezählt, sondern auch Nahrungsaufnahme versus Kalorienverbrauch gemessen, analysiert und dokumentiert. Natürlich werden dann entsprechende Tipps gegeben, um gegensteuern zu können. Dass man Haushaltsbuch führt, um die Finanzen im Blick zu behalten, ist weit verbreitet. Im Trend liegt es aber, wenn man in Morpheus Armen liegt, die Hirnströme zu messen. Das soll es möglich machen den Schlaf zu optimieren: tiefer, besser, kürzer schlafen. Das Arbeitsleben und auch die Freizeit sind optimierbar. Die Journalisten Gary Wolf und Kevin Kelly haben diese amerikanische Bewegung mit Namen „qualified self“ ins Leben gerufen. Seit 2007 gibt es dazu eine Internetseite. Der Slogan ist „self knowledge through numbers“, übersetzt Selbsterkenntnis durch Zahlen. Der Trend ist aber nicht neu: Sogar Goethe soll schon einen Zwang zur Tages-Bilanz gelebt haben. Der amerikanische Psychologe Roy Baumeister schreibt in seinem Bestseller „Die Macht der Disziplin“, dass es eine logische Konsequenz aus dem Alltag der überforderten Menschen sei. Es sei wichtig den Willen abzuhärten – nicht nur um produktiver zu sein, sondern auch glücklicher. Baumeister sieht darin auch Schuld und Lösung verschiedener ernsthafter Probleme unserer Zeit wie Überschuldung, Sucht, Fehlernährung und Unbeweglichkeit.
Was bringt das denn?
Zunächst einmal ist es sicher interessant die verschiedenen Werte mal schwarz auf weiß zu sehen – eine Bestätigung zu haben, dass man wirklich schlecht schläft. Aber was macht man dann mit den gemessenen Werten? Im Fall des Bettes werden auch Tipps gegeben, die man umsetzen kann oder auch nicht. Alle technisierten Waage-Junkies, die schon mal eine Diät gemacht haben, kennen das Phänomen vermutlich. Sie nehmen ab, aber Ihr Körperfettanteil bleibt im positiven Fall auf dem gleichen Wert, oder steigt sogar an. Das ist frustrierend. Wichtig ist also die Zahlen im Zusammenhang zu sehen und zu deuten. Hierbei ist die Software ein großer Helfer. Die Selbstoptimierung soll natürlich den Ehrgeiz wecken und das klappt auch in vieler Hinsicht sehr gut. Wenn man (sich selbst gesteckte) Ziele erreicht, macht das glücklich.
Gibt es auch Nachteile?
Vermutlich gibt es niemanden, der sich nicht ändern will. Oft ist es aber so, dass das erst zutage tritt, wenn man da ein bisschen nachbohrt. Auf die Antwort: „Das passt schon so wie ich bin.“, kommt beim Nachhaken dann doch heraus, dass so zwei, drei Kilo weniger doch sehr schön wären und die Fitness, die ließe schon ziemlich zu wünschen übrig und das Buch, das seit Weihnachten auf dem Nachttisch liegt, sollte auch mal dringend angefangen werden. Und es scheint auf den ersten Blick ja auch so einfach – einfach mal zusammenreißen, die Zähne zusammenbeißen und dann los. Sie merken schon: Da wird ein heftiger Druck aufgebaut. Schwächen werden nicht wirklich zugelassen. Jeder ist ja bekanntlich seines eigenen Glückes Schmied. Man muss automatisch an die vielen magersüchtigen Menschen denken und den Stolz und das Glück, das sie erleben, wenn sie denken, ihr Essverhalten zu 100 Prozent unter Kontrolle zu haben. Eine andere Frage, die sich auch noch stellt ist, was passiert mit den Daten? Sie werden von den Trackern über WLAN an die Programme auf den PCs oder Smartphones geschickt und dort mit den eingegebenen Daten zusammen ausgewertet. Einige dieser Softwarehersteller lassen sich beispielsweise in den AGB die Erlaubnis für die anonymisierte Nutzung geben. Aber jetzt mal ganz ehrlich: Möchten Sie von Ihrem Handy gesagt bekommen, dass Sie jetzt aber schon noch zweimal um den Block joggen müssen und zwar in einer Schrittfrequenz von 232 Schritten pro Minute bei einer erweiterten Schrittlänge von xy Zentimetern? Auf der anderen Seite macht es schon ein wenig Stolz ein Ziel erreicht zu haben und das Lob dafür einzukassieren – selbst, wenn es vom Handy kommt.
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