Zärtlichkeit hält Partnerschaften zusammen

Es ist längst bekannt, dass Menschen im fortgeschrittenen Alter keine ausgeprägte Erotik mehr ausleben. Tatsächlich rücke anstelle der Erotik im Alter die Zärtlichkeit, welche für ebenso viel Zufriedenheit sorge wie anfangs ausgeprägte Erotik. Die Soziologin Britta Müller von der Universitätsmedizin Rostock und ihre Kollegen haben das Phänomen der Erotik versus Zärtlichkeit im Alter untersucht.

Als theoretische Grundlage ihrer Studie werteten die Wissenschaftler Daten von Teilnehmern der bevölkerungsbasierten “Interdisziplinären Längsschnittstudie des Erwachsenenalters” (ILSE) aus. Seit 1993 erforscht diese Studie individuelle, soziale und ökonomische Bedingungen gesunden Alterns. Im Rahmen der hier angeführten Studie wurden drei Befragungen durchgeführt, bei denen Teilnehmer über Sexualität, Erotik und körperliche Nähe im Allgemeinen sprachen.

Die 194 Männer und Frauen befanden sich zum Zeitpunkt der Erhebung im Alter von 63, 67 und 74 Jahren und lebten in stabilen, dauerhaften Partnerschaften. Die Mehrheit der Teilnehmer zeigte eine gleichbleibende Zufriedenheit über die zwölf Jahre des Studienverlaufs hinweg. Diese Tatsache liegt laut den Wissenschaftlern darin begründet, dass sich in stabilen Partnerschaften beide Partner gemeinsam an die physischen Veränderungen gewöhnen können. Für Männer sei dieser Anpassungsprozess zwar meist länger angelegt, allerdings scheint es wirksam zu sein die sich mindernde Erotik in andere Arten der körperlichen Nähe umzudeuten.

Verschiebung hin zu Zärtlichkeit

Die Bedeutung der Sexualität, die in jungen Jahren sicherlich einen großen Stellenwert einnimmt, verschiebt sich im Erwachsenenalter hin zur Zärtlichkeit. So räumten etwa 91 Prozent der männlichen Befragten im Alter von 74 ein, dass Zärtlichkeit ihnen wichtiger sei als Sexualität und auch 81 Prozent der Frauen stimmten dem zu. Von größerer Bedeutung als Sexualität war für die Befragten also der zärtliche Umgang miteinander.

Die Sexualität spiele nur noch für 61 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen eine wichtige Rolle innerhalb ihrer Partnerschaften. Paare, die sich in einem fortgeschrittenen Alter befinden, wiegen Zärtlichkeit gegenüber Sexualität ab und versuchen über ritualisierte Berührungen wie das Händchen halten Nähe aufrecht zu erhalten. Die Untersuchung zeigt ebenso, dass Zufriedenheit in einer Partnerschaft nicht vom Bildungsgrad, physischer Gesundheitszustand oder Dauer der Partnerschaft am stärksten beeinflusst wird, sondern von der Bedeutung von Sexualität sowie von Zärtlichkeit. Zärtlichkeit scheint demnach im Alter zu garantieren, dass beide Partner zufrieden mit ihrer Beziehung sind. Auf welche Weise sich diese gestalten lässt, ist wieder eine andere Frage, aber sie bietet die Möglichkeit über einen langen Zeitraum hinweg glücklich und zufrieden zu sein.