Schwere Kindheitserlebnisse fördern Naivität

Schwere Kindheitserlebnisse fördern Naivität

Inwieweit sind Kindheitserlebnisse für die spätere Neigung zu Misstrauen oder allzu blindem Vertrauen verantwortlich? Diese Frage stellten sich die Forscherin Kim Drake und ihr Team an der Universität Leicaster/England und sie fanden erstaunliche Antworten.

Die promovierte Psychologin Dr. Kim Drake machte es sich zur Aufgabe, herauszufinden, ob schlimme Kindheitserlebnisse die Naivität fördern, oder ob die Kinder in ihrem späteren Erwachsenenleben übertrieben misstrauisch werden. Wenn Kinder viel von dem erleben müssen, was man in den ersten Lebensjahren eigentlich nicht erleben sollte, können sie davon ausgehen, seelische Narben davonzutragen.

Die Vermutung liegt nah, dass es Menschen schwer fällt, in ihre Mitmenschen oder in konkrete Situationen Vertrauen zu setzen, wenn sie in ihrer Kindheit traumatisiert worden sind. Das erstaunliche Ergebnis der wissenschaftlichen Studie: Genau das Gegenteil ist der Fall, eine schwere Kindheit fördert die Naivität! Für die Studie wurden von den Psychologen erwachsene Menschen zu ihren Lebensumständen befragt, die in ihrer Kindheit schlechte Erfahrungen machen mussten.

Zum Vergleich wurden andere Probanden herangezogen, die eine behütete Kindheit genießen konnten. Es stellte sich heraus, dass Personen aus der ersten Gruppe weniger Misstrauen gegenüber anderen Menschen oder Situationen empfanden, sich leichter zu etwas überreden ließen und sich schneller und widerstandsloser einem Gruppenzwang unterworfen haben.

In diesem Fall liegt es aber nicht an einem gesunden Selbstvertrauen, das zu einer besseren Vertrauensbasis zu anderen Menschen führt. Traumatisierte Kinder haben nie gelernt, sich auf ihr eigenes Urteil – auch Bauchgefühl genannt – verlassen zu können. Menschenkenntnis konnte nicht geübt werden, ebenso wenig fehlten Übungsfelder zum Aufbau gesicherter Beziehungen.

Die Folge ist eine hohe Verunsicherung gegenüber dem eigenen Urteilsvermögen. Die Neigung, anderen Menschen ungeprüft zu glauben und Vertrauen zu schenken, ist aufgrund dieser inneren Struktur viel stärker, als bei Menschen, die gelernt haben, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Eine schwere Kindheit kann demnach zu späterer Leichtgläubigkeit führen. Die Gefahr, sich in die Irre leiten zu lassen und Lebensentscheidungen von anderen beeinflussen zu lassen, anstatt sich auf die eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren, ist als relativ hoch einzuschätzen.

 

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