Wie normal sind Selbstgespräche?

Immer wieder ertappt man sich selbst bei lauten Selbstgesprächen. Doch muss man sich deswegen Sorgen machen? Experten sind der Meinung, dass Selbstgespräche durchaus einige Vorteile mit sich bringen können.

„Wo habe ich den bloß meine Schlüssel?“ – wenn Erwachsene laut mit sich selbst reden, ist ihnen das oftmals peinlich. Doch der Psychotherapeut und Psychiater Dirk Wedekind von der Universität Göttingen gibt Entwarnung. Selbstgespräche seien durchaus normal und könnten manchmal sogar sehr hilfreich sein. Generell stimmten Experten darin überein, dass Selbstgespräche meist dazu führen, dass wir unsere Gefühle und Gedanken besser ordnen und auch Probleme schneller bewältigen können.

Warum also machen wir uns trotzdem oft Sorgen, Selbstgespräche könnten krankhaft wirken? Professor Peter Falkai leitet am Uniklinikum München die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie. Er erklärt dieses Phänomen damit, dass laute Selbstgespräche außerhalb der Norm liegen. Bei Schizophrenie-Patienten zum Beispiel ist das Selbstgespräch zudem eines der Symptome, die diese Erkrankung meist hervorruft. Auch ältere Menschen neigen manchmal dazu, laut mit sich selbst zu sprechen, um ein Gefühl der Einsamkeit zu bekämpfen und auch bei demenziell erkrankten Menschen können Selbstgespräche vorkommen. Diese Beispiele schrecken ab, niemand steht gerne als senil oder geistig verwirrt da.

Selbstkritik und Motivation

Doch auch der Psychologe Dietrich Dörner aus Bamberg bekräftigt, dass Selbstgespräche in den meisten Fällen der Selbstreflexion dienen und somit sogar empfehlenswert seien. Dies kann nicht nur in privaten Bereichen hilfreich sein, sondern auch auf beruflicher Ebene Kraft geben. Experten sind beispielsweise der Meinung, dass ein intensives Gespräch mit dem eigenen Spiegelbild vor einer wichtigen Präsentation helfen kann, einen Vortrag besser verbalisieren und strukturieren zu können. Thomas Brinthaupt ist als Psychologe an der Universität Middle Tenessee tätig und nennt vier weitere Gründe, die dazu führen, dass wir manchmal mit uns selbst sprechen: Selbstkritik („Ach nein, bin ich blöd!“), Selbstmanagement („Jetzt muss ich noch meinen Geldbeutel, meinen Schlüssel und das Geschenk mitnehmen…“), Einschätzung von sozialen Situationen („Wie verabschiede ich mich am besten gleich von meinem alten Vorgesetzten?“) und Selbstbestätigung („Ich schaffe das, ich bin bestens vorbereitet!“).

Wedekind erklärt, wenn man laut mit sich selbst spricht, hat dies den Vorteil, dass man seine Gedanken besser strukturieren und somit schneller Entscheidungen treffen kann. Denkt man hingegen nur leise in sich hinein, bleibt der Gedanke wage und diffus. Auch Dietrich Dörner bestätigt diese Beobachtung. Aus diesem Grund schreiben auch viele Menschen wichtige Einfälle und Ideen gerne auf. So erhält man einen besseren Einblick in sich selbst und es fällt leichter, Probleme zu lösen. In einem Experiment ließ Dörner Maschinenbaustudenten einen Fahrradständer entwerfen und nahm ihre Arbeit mit einer Kamera auf. Diejenigen, die laut mit sich selbst sprachen und laut dachten, erzielten nach 100 Minuten Arbeitszeit die besten Ergebnisse. Die schlechtesten Entwürfe fertigten hingegen die Studenten an, die am schweigsamsten waren.

Auch in anderen Bereichen sind Selbstgespräche häufig ein Mittel zur Motivation, erläutert Dirk Wedekind. Im Sport beispielsweise ist oft zu beobachten, dass ein Fußballer sich selbst anfeuert, bevor er einen Elfmeter schießt. Auf diese Weise steigt die Konzentration. Im Fernsehen sieht man regelmäßig Sportler, die vor einem Wettkampf vor sich hinmurmeln und sogar einen Parcours noch einmal Wort für Wort und Bewegung für Bewegung durchgehen.