Empathie: Kontroverse des Mitgefühls
Empathie, die Fähigkeit Gedanken, Emotionen, Gefühle und Persönlichkeitsmerkmale anderer Personen zu erkennen und zu verstehen, hat einen guten Ruf. Viele Menschen glauben, dass diese Fähigkeit Voraussetzung ist, um Fairness und Hilfsbereitschaft zu erfüllen. Wer in der Lage ist mit einer anderen Person mitzufühlen, bringt auch die Motivation auf, um in Notsituationen beizustehen und zu helfen.
Diese Sichtweise ging als sogenannte Empathie-Altruismus-Hypothese in die Sozialwissenschaften ein. Psychologe C. Daniel Batson der University of Kansas, zeigte im bekannten Elaine Experiment der 80er Jahre, dass der Mensch eher für eine andere Person Partei ergreift, wenn er sich mit dieser Person verbündet fühlt.
Empathie: Das Elaine Experiment
Der Psychologe Batson gab Studenten eine Beschreibung der „fiktiven“ Kommilitonin Elaine, die einerseits persönlich, andererseits aber auch distanziert und nüchtern geschrieben war. Nachdem die Studenten diese gelesen hatten, sahen sie, wie Elaine im Zuge des Experiments Elektroschocks erhielt. Das Ergebnis: Unter den Versuchsstudenten ohne emotionale Verbundenheit zu Elaine, war noch nicht einmal jeder Fünfte dafür, ihr Leid zu lindern. Die Studenten mit persönlicher Bindung zu Elaine, sprachen sich mit mehr als 80 Prozent dafür aus, sie von dem Leid zu befreien.
Das mangelnde Mitgefühl konnte jedoch wettgemacht werden. Der Psychologe Batson stellte die Studenten vor die Wahl: Sie würden entweder für Elaine das Experiment fortsetzen und die Elektroschocks in Kauf nehmen oder sie würden sich über den Bildschirm weitere schmerzhafte Elektroschock-Runden an ihr ansehen. Fast zwei Drittel entschlossen sich dafür, Elaine zu helfen – selbstverständlich jedoch, ohne sich dabei auf ihren Platz zu setzen. Laut Batson steckt hinter dieser Reaktion Egoismus, aber genauso Empathie. Zumindest der Versuch, diese Empathie abzuwehren. Ein Beispiel sind Bilder aus dem Alltag: Bettler mit offenen Wunden oder amputierten Gliedmaßen werden oftmals von Menschen übersehen. Das passiert jedoch meist aus dem Grund, dass wir es selbst nicht ertragen können, mit diesem Menschen mitzufühlen.
Empathischer Stress als Risiko im Beruf
Ärzte, Sozialarbeiter oder Therapeuten arbeiten in helfenden Berufen, sodass sie anfällig für empathischen Stress sind. Sie sollen sich in das Schicksal und Leid der Betroffenen hineinversetzten. Wer sich in diesen Situationen zu tief mit den Personen identifiziert, produziert ein Gefühl des „mit Leidens“, was wiederum Zynismus und Gleichgültigkeit fördert.
Dieser empathische Stress kann allerdings auch die Hilfsbereitschaft senken. Anteilnahme und Mitgefühl überfordern Menschen schnell, sodass die Pein des anderen ausgeblendet und die Verantwortung weggeschoben wird. Ein politisches Beispiel ist die Flüchtlingswelle aus dem Jahr 2015. Während zuerst Mitgefühl und Hilfsbereitschaft zu erkennen waren, änderten sich diese Gefühle bei vielen nach kurzer Zeit. Bei einigen entstand sogar der Wunsch nach Abschottung und einem Stopp des Zustroms, was wiederum weit von Hilfsbereitschaft entfernt ist.
Der Psychologe Paul Bloom der Yale University in New Haven erklärt, dass Mitgefühl den Menschen blind für das Wesentliche machen kann. Ein Bild von einem einzigen Opfer trifft den Menschen emotional stärker, als Schreckensmeldungen zum Klimawandel. Und das obwohl bei letzterem mit deutlich mehr Opfern zu rechnen ist. Zusätzlich erweckt Empathie manchmal Zustimmung für sogenannte „Underdogs“. Der Mensch versetzt sich in deren Lage, fühlt sich angesprochen und verstanden. US-Präsident Trump profitierte bei seiner Wahl von dieser Art der Empathie. Seine emotionalen Wahlauftritte als Kämpfer der korrupten Politarena ließen ihn nicht selten Anfeindungen spüren. Diese Anfeindungen machten seinen Rückhalt unter den Wählern allerdings deutlich stärker.
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