Wenn das sexuelle Verlangen fehlt
Als asexuell bezeichnet man Personen, denen das sexuelle Verlangen fehlt, die also keinen Sex brauchen oder möchten. Asexualität kann aber gleichzeitig sehr facettenreich sein.
Anja ist 28 Jahre alt und asexuell. Bereits im Teenager Alter stellte sie fest, dass sie sich deutlich weniger für Jungen und Sex interessierte als ihre Klassenkameradinnen. Zwischenzeitlich war sie dann der Meinung lesbisch zu sein und hatte eine Freundin. Doch schließlich merkte sie, dass sie immer nur weg wollte, sobald es intimer wurde. Und auch später im Studium stellte sie fest, dass es große Unterschiede zwischen ihr und ihren Freundinnen gab, wenn sie über Sex und Männer redeten. „Ich dachte eigentlich nie: Mensch, der ist ja heiß, mit dem würde ich gerne mal ins Bett gehen“, erzählt Anja.
Anziehung und sexuelle Erregung
Die Community für Asexuelle Aven (Asexual Visibility and Education Network), die es seit dem Jahr 2005 auch in Deutschland gibt, definiert Asexualität über zwei Fragen: Fühle ich mich sexuell von anderen Menschen angezogen? und Verspüre ich sexuelle, körperliche Erregung? Die meisten Asexuellen beantworten die erste Frage mit Nein. Sie fühlen sich weder von Männern noch von Frauen sexuell angezogen. Trotzdem legen auch Asexuelle meist großen Wert auf emotionale Bindungen, eben nur ohne Sex. Bei manchen nehmen auch Freundschaften den Stellenwert von partnerschaftlichen Beziehungen ein. Die zweite Frage hingegen ist schon schwieriger zu beantworten. Viele Asexuelle spüren zwar eine biologische Erregung, haben aber nicht das Bedürfnis ihre Sexualität auszuleben. Wieder andere gehen dieser Erregung durch Masturbieren nach, möchten aber keinen Sex mit anderen haben. Einige haben aber auch so gut wie gar keine Libido.
Asexuell als persönliche Entscheidung?
Seit einem Jahr weiß Anja, dass sie asexuell ist. Zufällig stieß sie im Internet auf einen Artikel zu diesem Thema und erkannte sich darin wieder. „Ich interessiere mich sexuell gesehen weder für Männer noch für Frauen und habe auch keine Libido“, erzählt sie. Trotzdem hat sie wie die meisten Menschen ein Bedürfnis nach emotionaler Nähe und Beziehungen. Seit zehn Jahren hat sie einen festen Partner. Doch leider glaubt er ihr nicht, dass sie asexuell ist und scheint sie nicht zu verstehen. Vivian Jückstock ist Psychologin und Sexualtherapeutin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Sie erklärt, dass jeder Asexuelle selbst darüber entscheiden sollte, ob er sich als solchen bezeichnen möchte. Jeder der sich so nennen wolle, auch wenn er nur „gerade“ keinen Sex haben möchte, habe das Recht dazu. Es bestehe gleichzeitig immer die Möglichkeit mit der Zeit seine Sexualität neu zu definieren und neu zu entdecken.
Die Entstehung von sexuellem Verlangen ist ein vielschichtiger Vorgang. Bei diesem Prozess spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise die Psyche, Hormone und Vorerfahrungen. Auch die Gesellschaft und das soziale Umfeld prägen uns in dieser Hinsicht. Körperlich ist bei Anja alles in Ordnung, sie braucht bloß keinen Sex und empfindet dabei keinen besonderen Spaß. Tritt sexuelle Unlust jedoch plötzlich auf, kann dies ein Anzeichen für eine Störung sein, erklärt Jückstock. Für Anja ist ihre eigene Asexualität noch neu und teilweise verwirrend. „Ich muss erst einmal herausfinden, worin sich meine Gefühle für meine Freunde überhaupt zu meinen Gefühlen gegenüber meinem festen Freund unterscheiden, denn früher dachte ich noch eine Beziehung werde durch Sex definiert“, berichtet die junge Frau.
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