Das Internet-Phänomen ASMR

Dieser Tage geistert ein Internet-Phänomen durch die Medien, das so mancher kritisch hinterfragt, bis er es ausprobiert hat. ASMR, im Englischen auch „Autonomous Sensory Meridian Response“ genannt und ins Deutsche übersetzt etwa gleichbedeutend mit „unabhängige sensorische Klimax-Reaktion“ beschreibt ein wohliges, prickelndes Gefühl der Erregung, das durch simple, statische Videos, beispielsweise auf der Plattform Youtube, ausgelöst wird. Doch was passiert während dieses Erlebnisses eigentlich in unserem Körper?

Der Begriff ASMR stammt von der ersten Forscherin, die sich diesem Gefühl angenommen hat: Jennifer Allen aus New York. Sie las in einem Gesundheitsforum, dass immer mehr Menschen sich fragen wie sie dieses wohlige Gefühl, das in Folge der Sichtung von einfachen Videos aufkam, fassen, erklären oder auch benennen können. Allen wählte daher die Kombination aus den Begriffen „Autonomous“, da es ein Gefühl ist, das sich aus einem Menschen heraus konstituiert, dem Begriff „Sensory“, der die Empfindung als Sinneswahrnehmung charakterisiert und dem Terminus „Meridian“, welcher die Intensität des Gefühls beschreibt, nämlich seinen orgastischen Zustand.

Aufmerksamkeitsinduzierte Euphorie

Letzterer Begriff führt auch dazu, dass ASMR in der Umgangssprache manchmal als Kopforgasmus bezeichnet wird. Eine weitere Begrifflichkeit ist die AIE, Attention Included Euphorie, auch Aufmerksamkeitsinduzierte Euphorie genannt. Erfahrungen zufolge gehe dieses Gefühl mit einem Kribbeln der Nervenenden einher, das sich von der Kopfpartie über das Rückgraft ausbreitet. Viele beschreiben die Gefühl als vergleichbar mit einer Massage, einer Yogasitzung oder einem Friseurbesuch.

Diese Empfindungen werden in Folge der Sichtung einfachster Begebenheiten ermöglicht. Probanden berichten beispielsweise, dass sie ein Video von einem Chiropraktiker gesehen haben, der seine Methoden erklärte. Draufhin zeigte sich die ASMR-Reaktion. Seit 2012 gibt es auch einen Wikipedia-Eintrag zu dem Phänomen.

Forscher fordern derzeit eine breite wissenschaftliche Basis zu diesem Phänomen, was dadurch erschwert wird, dass nicht jeder Mensch ASMR empfinden kann. ASMR wird von Kritikern oftmals als esoterische Richtung, die Fetischen zugeordnet werden kann, verstanden. Tatsächlich greift ASMR allerdings eine Entwicklung auf, die für unsere schnellebige Zeit exemplarisch ist: die Sehnsucht nach Ruhe, dem Zustand der Entbehrung. Dies zeigt sich darin, dass ASMR beim Beobachten alltäglicher, konzentrierter Tätigkeiten wie dem Falten eines Handtuchs wirkt.

Übertragung von ASMR auf andere Kontexte

Die Aufnahmebereitschaft und auch die Lust an der Wiederholung, sprich die Videos immer und immer wieder anzuschauen, könnten auch für andere Bereiche, so beispielsweise den Bildungssektor, nutzbar gemacht werden. Bis es soweit ist, muss die Forschung allerdings noch einiges leisten, da es bislang noch keine allgemeinen ASMR-Trigger gibt, die für mehrere Menschen funktionieren. Trotzdem ist es möglich, dass ASMR die Konzentrationsfähigkeit fördert und Inhalte besser und langfristiger vermitteln kann.

Weitere Studien

Als problematisch erweist sich die wissenschaftliche Herangehensweise dieses Phänomens deshalb, weil Probanden gefunden werden müssen, die eine starke physische Reaktion aufzeigen. Es gibt zudem einen ASMR Typ A, der gelernt hat die Empfindungen selbst auszulösen. Diese Menschen erweisen sich für Studien als besonders geeignet. Fest steht, dass bislang alle Nationalitäten, jeden Alters und jeden Geschlechts betroffen sind und wir am Anfang einer sehr interessanten Studie über ein Gefühl stehen, das so manchem Wohlbefinden bereitet und zu sehr angenehmen Empfinden führt.