Philippe Pinel – der Beginn der modernen Psychiatrie

Was wir heutzutage unter Psychiatrie oder psychiatrischer Behandlung verstehen, war lange Zeit nicht derart vorhanden, wie wir sie heute kennen. Die Rechte der Patienten wurden beispielsweise lange Zeit hinten angestellt, damit mit allen Mitteln versucht werden konnte „die bösen Geister“ auszutreiben, die, nach gesellschaftlicher Ansicht, in dem Patienten ihr Unwesen treiben und zu den Symptomen führen. Ein entscheidender Vorreiter des menschlichen Umgangs mit psychisch Kranken war der Psychiater Philippe Pinel.

Psychisch Kranke zu Zeiten Pinels

Pinel lebte von 1745 bis 1826 und kann als Vater der Psychiatrie bezeichnet werden oder zumindest als Vater der modernen Psychiatrie. Pinel praktizierte zu einer Zeit, in der psychisch Kranke der Familie und auch der Gesellschaft eine Last waren. Sie wurden in Anstalten mit allerlei Gesindel (Kriminellen, Mördern) zusammen gepfercht und möglichst aus der Sichtweise der übrigen „gesunden“ Gesellschaft gehalten.

Ihre Leiden galten als Konsequenz eines moralischen Defizits und nicht als gesundheitlicher Schaden. Sie wurden daher ihrem Menschsein enthoben und wie Bestien gehalten, gefoltert und angekettet. Eine unvorstellbare Haltung gegenüber kranken Menschen, die damals zur Normalität wurde, weil sie nicht eines Besseren belehrt wurde. Bis Philippe Pinel sich dies zur Aufgabe machte.

Behandlung ohne Zwangsmaßnahmen – traitement moral

Phillippe Pinel war der erste Psychiater, der den Patienten ihre Würde zugestand. Er arbeitete am Hôpital Salpêtrière , das damals eine Nervenklinik war und wo noch heute Spuren von den in die Wand gelassenen Fesseln zu sehen sind. Aus diesen befreitete Pinel seine Patienten und schenkte ihnen noch viel mehr als Freiheit. Er überzeugte die Mehrheit der Gesellschaft davon mit dem mittelalterlichen Glauben aufzuräumen, dass psychische Krankheiten von einem Dämon herrühren. Pinel entwickelte die Nervenheilanstalten, wie wir sie heute kennen.

Diese Institutionen sind nach den Bedürfnissen der Erkrankten ausgerichtet und begegnen ihnen mit Zuwendung und Verständnis. Diese moralische Psychologie bestand aus kognitiver Therapie, Bewegung, therapeutischen Aktivitäten, Unterstützung, Ermutigung und vielen mehr Maßnahmen, die dem Erkrankten halfen den Weg weg von der Krankheit zu finden. Nur in sehr seltenen Fällen griff man noch zu Sedierung und Zwangsmaßnahmen, beispielsweise bei Tobsüchtigen.

Natürliche Heilkraft

Was weiterhin sehr besonders an Pinels Verfahren war, ist die Tatsache, dass er den Patienten keiner Kur unterzog, sie also nicht zu Aderlass oder ähnlichem zwang, sondern auf ihre natürlichen Selbstheilungskräfte setzte. Er war der Überzeugung, dass ihre Krankheit durch eine Kombination aus Veranlagung, physiologischem Gehirntrauma, psychologischen und sozialen Stress und der schlechten Behandlung durch ihre Mitmenschen ausgelöst wurde. Aus diesem Grund beobachtete er seine Patienten minutiös und legte neue Kategorien zur Diagnose fest. Pinel war der Vorreiter der modernen Psychiatrie, die mit viel Mitgefühl und Verständnis den Kranken begegnet und versucht ihnen ein neues, gesundes Leben zu ermöglichen. Er sah Kranke als Menschen an, die seine Hilfe brauchten.