Formale Kleidung beeinflusst Denkvermögen

Ein bekanntes Sprichwort besagt: Kleider machen Leute. Und da scheint einiges dran zu sein. Formale und seriöse Kleidung verleiht dem Träger sofort mehr Selbstbewusstsein und Professionalität. Damit aber nicht genug: In einer US-Studie haben Forscher kognitive Veränderungen durch das Tragen des Business-Looks beobachtet. Im Mittelpunkt des Projekts stand der Einfluss der Kleidung auf abstraktes Denken. Dazu wurde eine Stichprobe von 60 Studenten über einen Fragebogen aufgefordert, Outfits auf einer Skala von eins (wenig formal) bis sieben (sehr formal) zu bewerten. Gleichzeitig fand eine Sortierung von Objekten zu Überkategorien statt, um das abstrakte Denkvermögen zu überprüfen.

Bessere Analysefähigkeit

Tatsächlich korrelieren Kleidung und kognitive Fähigkeiten miteinander: Bei formalerer Kleidung stieg die Abstraktheit der Urteile. Um zufällige Zusammenhänge auszuschließen, gab es weitere Untersuchungen. Die Studenten sollten zwei Kleidungssets auswählen und zum Test mitbringen. Ein Outfit sollte formal sein, beispielsweise für ein Bewerbungsgespräch, das andere ein Alltagslook. Dann bekamen sie den gleichen Fragenkatalog wie vorher. Die Teilnehmer, die den Fragebogen in legerer Kleidung ausfüllten, hatten die gleichen Ergebnisse wie aus der ersten Runde. Eine wesentlich bessere abstrakte Einordnung gelang diesmal den Probanden, die formale Kleidung trugen. Der Schluss: Formale Kleidung ist mit erweiterten abstrakten Denkprozessen verbunden. Der mögliche Grund: Träger von formaler Kleidung fühlen sich mächtiger, was zu abstrakterem Denken führt.

Kleidung ist Macht

Der Anzug gelte immer noch als ein Symbol der Macht. Seriöse Kleidung schaffe Distanz, da man sich vom Rest abhebe. Formale Kleidung werde zudem meist in Situationen getragen, in denen es mehr um förmliche Interaktion, soziale Distanz und weniger Intimität geht. Das führt dazu, dass der Anzugträger das große Ganze sieht und Zusammenhänge besser erkennt. Konkretes Denken, das sich auf Kleinigkeiten fokussiert, rückt in den Hintergrund. Die Ergebnisse der Studie sind gar nicht so abwegig: Bereits 2012 wurde eine Studie durchgeführt, in der die Forscher den Einfluss des Tragens eines weißen Kittels – wie ihn meist Ärzte tragen – auf die Wahrnehmung der Probanden haben: Teilnehmer, die einen Kittel trugen, waren generell aufmerksamer. Der Zusammenhang zwischen Kleidung und Gehirn wurde damals nicht untersucht.

Weniger Anzugträger

Bei den Ergebnissen der Untersuchung stellt sich jetzt natürlich die Frage, ob nicht die kognitiven Fähigkeiten aller steigen würden, wenn jeder einen Anzug trägt. Die Forscher warnen aber vor diesem Schluss: Denn wenn alle einen Anzug tragen würden, würden diese gar nicht mehr als formale Kleidung durchgehen. Darüber hinaus könnte es auch zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen kommen, wenn zum Beispiel Menschen formale Kleidung in Berufen tragen, in denen sie argwöhnisch betrachtet werden und sich deshalb unwohl fühlen und nicht mehr ihre beste Leistungen abrufen können – als Beispiel nennen die Forscher einen Bademeister. Für die Zukunft sehen die Wissenschaftler zwei Szenarien: Es besteht das Risiko, dass der Anzug seine symbolische Macht immer mehr verliert, da an vielen Arbeitsplätzen – selbst bei großen Konzernen wie Google oder Facebook – in der Regel Casual Look im Büro ausreicht. Andererseits kann aber gerade dieser Trend dafür sorgen, dass der positive Effekt durch weniger Anzugträger noch verstärkt wird. Für Schüler und Studenten bedeuten die Ergebnisse, dass sie ihre Prüfungen in formaler Kleidung ablegen sollten, da es ihr abstraktes Denkvermögen verbessert und möglicherweise zu besseren Resultaten führt.