Nutzt sich Willenskraft ab?

Nutzt sich Willenskraft ab?

Lange Zeit ging man in der Psychologie davon aus, dass Willenskraft sich abnutzen kann. Nun stellte sich heraus, dass dies vielleicht nicht stimmt. Die Wissenschaft scheint sich in einer Existenzkrise zu befinden.

In hunderten Zeitungsartikeln, Veröffentlichungen und alltäglichen Ratgebern konnte man es lesen: Willenskraft ist trainierbar und nutzt sich ab. Diese Annahmen beruhen auf einer wissenschaftlichen Theorie aus dem Jahr 1998 und sind seither fester Bestandteil der aktuellen Psychologie. Der Effekt des Abnutzens der Willenskraft wurde unter dem Namen „ego depletio“ bekannt. Doch nun gelang es 24 Arbeitsgruppen unabhängig voneinander nicht, ebendiesen Effekt aufzuspüren und damit die Erkenntnis zu bestätigen. Natürlich ist dies für sich betrachtet nur ein Einzelergebnis. Jedoch lässt es durchaus Rückschlüsse auf den aktuellen Stand der Wissenschaft zu und zeigt grundlegende methodische Probleme auf.

Dieser Befund schließt sich einer Reihe von Debatten und Streitfragen an, die seit Jüngstem die Grundfesten der Psychologie erschüttern. Im Sommer des Jahres 2015 starteten Forscher den Versuch, Experimente zu wiederholen, zu rekonstruieren, um auf das gleiche Ergebnis zu kommen. Doch sie stellten fest, dass sich weniger als die Hälfte der Experimente, die sie im Bereich Verhaltenspsychologie untersuchten, als reproduzierbar erwiesen. Diese Erkenntnis brachte nun das gesamte Prinzip der Theorien, die auf empirischen Erhebungen beruhen, ins Wanken. Wenn unter identischen Bedingungen und Voraussetzungen unterschiedliche Ergebnisse erzielt werden, ist das ein schwerwiegendes Problem und lässt die Wissenschaft äußerst unglaubwürdig erscheinen.

Interessenskonflikte gefährden die Glaubwürdigkeit

Aus diesem Grund kritisierten andere Fachkollegen dieses Experiment der Reproduktion bereits heftig. Es sei selektiv und lückenhaft und bringe die wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Psychologie und allgemein in Verruf. Doch im Falle der Willenskraft bleibt kaum ein Zweifel daran, dass die Reproduktionsstudie durchaus fundiert ist. Roy Baumeister, der als ursprünglicher Entdecker des „ego depletio“ gilt, arbeitete als Berater mit an den Untersuchungen. Eine fundamentale Theorie des Ego-depletio-Effekts besagt, wenn eine Person für eine bestimmte Aufgabe ihre Willenskraft aufwendet, sie für eine nächste Aufgabe weniger davon zur Verfügung hat. Menschen, die sich bereits im Vorfeld beherrschen mussten, würden also laut dieser Theorie bei einer Aufgabe, die beispielsweise Selbstkontrolle erfordert, nun schlechter abschneiden.

Doch von 24 Arbeitsgruppen erzielten nur zwei den zu beweisenden Effekt, eine fand sogar das Gegenteil heraus. Es scheint als gäbe es das Phänomen nicht, oder zumindest nicht in dem Maße wie bisher angenommen wurde. Einige Experten bemängeln jedoch auch hier, dass sich die Reproduktion in zahlreichen Feinheiten vom Originalversuch unterschieden hätte. Da die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen stark voneinander abweichen, könnte die sogar durchaus der Fall sein. Doch ganz gleich, ob sich die Debatte nun darum dreht, ob ein Experiment nicht reproduzierbar ist oder ob es darum geht, dass es sich bei der Reproduktionsstudie um einen nichtverallgemeinerbaren Einzelfall handelt, beide Ansätze schaden der Aussagekraft der Psychologie.

Es scheint als stecke die Wissenschaft in einer Existenzkrise. Denn nicht nur der Bereich der Psychologie hat heutzutage mit Manipulation und Interessenskonflikten zu kämpfen. Auch die Glaubwürdigkeit anderer Gebiete scheint bedroht. Daher sollten Forscher dieses Phänomen ernst nehmen und alles daransetzen, diesen methodischen Problemen rund um Signifikanz und Statistik entgegenzuwirken.

 

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