Orthorexia nervosa: Krankhaft gesundes Essen

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Orthorexia nervosa: Krankhaft gesundes Essen

Wenn man den Begriff „Essstörung“ hört, tauchen bei den meisten Menschen stereotypische Bilder vor dem inneren Auge auf: Ein abgemagertes Mädchen, dass Salatblätter abwiegt oder mit dem Finger im Hals vor einer Toilette kauert. Sicherlich sind diese Assoziationen berechtigt, doch zieht mittlerweile noch eine weitere Essstörung in die Köpfe der Industriestaatler ein – die Orthorexia nervosa.

Das Krankheitsbild

Der von dem Mediziner Steven Bratman in seinem Buch „Health Food Junkies“ geprägte Begriff bezeichnet ein krankhaftes Essverhalten, bei dem die Mahlzeiten strikt reduziert und von Verzicht geprägt sind. Es ist nicht erlaubt, Fleisch, Fett oder Zucker zu sich zu nehmen und grundsätzlich kommt nur Rohkost aus Bio-Produkten auf den Tisch. Die Mahlzeiten selbst müssen langsam und meditierend eingenommen werden und müssen den wahnhaften Ansprüchen von sogenannter „gesunder Ernährung“ standhalten können.

Wie bei jeder anderen Essstörung auch, ziehen die Betroffenen sich immer mehr zurück und der Lebensmittelpunkt wird ausschließlich auf die „gesunde“ Ernährung verlagert. Durch die sehr einseitige und reduzierte Nahrungsaufnahme kommt es, wie bei Anorexie, zu Mangelerscheinungen und Untergewicht. Erstaunlich ist, dass es einen Zusammenhang zu geben scheint, nach dem vor allem Ernährungsspezialisten ein erhöhtes Risiko haben, an Orthorexie zu erkranken. Eine Studie in Österreich belegte schließlich, dass krankhafte Tendenzen bei Diätassistentinnen deutlich häufiger vorkommen als in der übrigen Bevölkerung.

Die Diagnose

Da die Diagnose Orthorexie bisher nicht offiziell anerkannt ist, gibt es derzeit auch so gut wie keine wissenschaftlich fundierte Literatur oder Studien zu dieser Diagnose. Düsseldorfer Psychologen versuchen diese Situation momentan zu ändern, indem sie einen Fragebogen entwickelten, mit dem orthorektisches Verhalten erfasst werden kann. Nach ersten Auswertungen gehen die Mediziner davon aus, dass Orthorexie im selben Größenverhältnis wie Anorexie und Bulimie auftritt.

Eine weitere Studie aus Belgien belegt, dass von mehr als 100 Fachleuten 2/3 angeben, schon orthorektische Patienten behandelt zu haben und den Wunsch äußern, dass diesem Krankheitsbild mehr Aufmerksamkeit zukommen müsse. Die Dunkelziffer der tatsächlich Erkrankten dürfte jedoch relativ hoch sein, schließlich halten auch Orthorektiker sich oftmals für gesund und meiden daher den Gang zum Arzt. Wahrscheinlicher ist es, sie in einer Ernährungsberatung anzutreffen, in der sie versuchen, noch mehr Tipps für eine noch „gesündere“ Ernährung zu bekommen.

Die wahnhaft gesunde Ernährung findet ihren Ursprung auch in der heutigen Gesellschaft, die vermehrt Wert auf gesundes Essen und einen gesunden Lebensstil legt. Unzählige Angebote aus der Gesundheitsbranche finden höchste Rezeption bei den Verbrauchern. Dieser Entwicklung kann einiges positives abgewonnen werden, zumindest bessere Aufklärung und Transparenz, allerdings ist auch die wahnhafte Ausprägung eine Folge, wie die neuste Diagnose zeigt.

 

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