Herbst-Blues
„Herbst-Blues“ ist nicht nur so ein alltagspsychologisches Sprichwort. Nach der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD), die Psychologen zur Grundlage Ihrer Diagnosen dient, wird dieses Phänomen der Talfahrt der Gefühle in den dunkleren und kühleren Monaten als saisonal-affektive Störung bezeichnet, also eine Unterform der Depression.
Resilienz und die Balance unseres „psychischen Systems“
Die Behandlungen von Depressionen und ihren Varianten, bzw. ihren abgeschwächten Vorformen obliegt natürlich ausgebildeten Psychologen und Psychiatern. Doch auch neben der klassischen schul-medizinischen Therapie oder medikamentösen Behandlungen gibt es einige, wissenschaftlich belegte Methoden, um diesen Stimmungsschwankungen vorzubeugen und selber präventiv oder akut das eigene seelische Wohlbefinden zu stabilisieren und zu stärken. In der Psychologie spricht man in der Forschung zur Anfälligkeit für psychische Ungleichgewichte von Resilienz. Desto resilienter ein System (zum Beispiel die Psyche) desto weniger wird es durch Störungen von außen („schlechtes Wetter“) aus dem Gleichgewicht gebracht. Ein Individuum mit einem hohen Grad an Resilienz in diesem Aspekt wäre also in seinem psychischen Befinden völlig unabhängig vom Wetter oder saisonalen Umweltveränderungen.
Aktivität und Steigerung der Selbstwirksamkeit
Ein in der Therapie inzwischen manchmal sogar „verschriebene“ Methode zur Steigerung der Selbstwirksamkeit ist das Joggen und die regelmäßige körperliche Aktivität. Denn gerade, wenn jemand in den dunkleren Jahreszeiten dazu neigt, sich gehen zu lassen und Aktivitäten zu vernachlässigen, die sonst Freude bereiten, kann es helfen den Tag mit einem Erfolg zu beginnen oder zu beenden. Dies ist beispielhaft mit Selbstwirksamkeit gemeint: Wenn jemand einmal am Tag eine Runde gelaufen ist oder im Fitness-Center war, hat die Person bereits etwas geleistet und sich bewiesen, dass sie erfolgreich etwas absolvieren kann, was sie sich vorgenommen hat. Dies motiviert wiederum für andere Aktivitäten, die den Alltag strukturieren und die Zeit zum Grübeln und Sorgen reduzieren. Denn auch dem Alltag einen regelmäßigen, durchgeplanten Ablauf zu geben, hilft, sich nicht in schlechten Gefühlen zu verlieren – was natürlich nicht heißt, dass keine Pausen eingeplant werden sollten. Diese Auszeiten sollten jedoch mit Aktivitäten gefüllt werden, die Freude bereiten, also ebenfalls strukturiert sind. Die sportliche Aktivität lässt sich mit einem weiteren wichtigen Prädiktor für psychische Gesundheit kombinieren, nämlich der sozialen Einbindung. Mit einem Freund oder Arbeitskollegen eine Runde Laufen zu gehen oder sich in einem Sportverein anzumelden und das Programm wahrzunehmen schaltet die Möglichkeit der sozialen Unterstützung frei, sollte es einem trotz der getroffenen Maßnahmen mal nicht gut gehen. Die so geschlossenen Kontakte motivieren zusätzlich zur Aktivität und leisten seelischen Beistand in schwierigen Zeiten. Aber auch für Einzelgänger ist regelmäßiger Sport für die Psychohygiene wichtig.
Die harten Fakten
Die WHO empfiehlt dreimal die Woche für mindestens eine halbe Stunde Sport zu treiben. Denn dies beugt nicht nur diversen gesundheitlichen Problemen vor, sondern korreliert in Studien überraschender Weise sogar mit kognitiver Leistungsfähigkeit. Des Weiteren sorgt sie für ein besseres Selbstbild, höhere Selbstachtung und Selbstsicherheit. Empirische Studien zeigten weiterhin einen negativen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Depressionen sowie Angststörungen. Aber wie erklärt sich dieser Zusammenhang zwischen stupide wirkendem Laufbandtreten und geistigem Wohlbefinden? Zunächst einmal steigt die Körpertemperatur, wenn man bei körperlicher Aktivität ins Schwitzen kommt. Allein dies hat bereits einen entspannenden Effekt auf die Psyche. Durch Nebennierenaktivität wird die Adaptation an Belastungen erhöht und nach dem Sport setzt eine Reduktion der Muskelspannung ein, was auch zu psychischer Entspannung führt. Des Weiteren erzeugt die körperliche Aktivität eine Art Biofeedback, das hilft, Erregungen vegetativer Natur zu regulieren. Dies beugt wiederrum starken körperlichen Reaktionen in Stresssituationen, zum Beispiel bei der Arbeit, vor. Ganz einfach gesagt, kann der Sport natürlich auch ablenken, einen auf andere Gedanken bringen indem er einen davon abhält stattdessen nur traurig vor dem Fenster dem Regenwetter zuzuschauen. Und nicht zuletzt ist jede Form der körperlichen Aktivität auch meditativ. Nicht umsonst hört man von Shaolin-Mönchen, Geh-Meditationen, Yoga und anderen körperlichen Meditationsformen, die fest in spirituelle Traditionen eingebunden sind. Aber es muss noch nichts „spirituelles“ aus dem morgendlichen Joggen gemacht werden. Allein die repetitive Bewegung entspannt und die Konzentration darauf entspannt.
Achtsamkeit
Wo wir schon bei Meditativem sind: Ein aktueller Trend in der Psychologie ist die Erforschung der oben genannten spirituellen Praktiken und Übungen. Ein Konzept, das in der akademischen Szene bereits weitgehende Bestätigung erfahren hat, ist die Achtsamkeit. Sie ist Hauptbestandteil vieler meditativer Traditionen und wird inzwischen auch in säkularisierten, wissenschaftlich untersuchten Kursen angeboten, die ohne die religiösen Strukturen um die Achtsamkeit, das hier eher als geistiges Werkzeug verstanden wird, auskommen. Achtsamkeit bedeutet in diesem Fall einfach nur, sich der im aktuellen Moment präsenten Phänomene des Bewusstseins gewahr zu werden. Dies beginnt bei den Geräuschen, schließt die visuellen Reize mit ein und geht bis hin zu den körperlichen Empfindungen. Diese Art der Übung lässt sich also im Alltag in so gut wie jeder Situation einbringen, sei es das Essen oder der Abwasch. Im nächsten Schritt geht es bei der Achtsamkeit um die Wahrnehmung der Gedanken und Gefühle, denn es hilft offensichtlich mit negativen Stimmungen umzugehen, wenn frühzeitig die auslösenden Gedanken und Gefühle erkannt werden. Dann kann man eine passende Strategie des Umgangs mit ihnen entwickeln und ausführen. Das könnte zum Beispiel Ablenkung in Form von körperlicher Aktivität oder einer Verabredung mit Freunden sein, aber auch einfach die Beobachtung der negativen Inhalte und der Erkenntnis, ihnen nicht ausgeliefert zu sein, sondern „über ihnen“ zu stehen. Dies ist nichts esoterisches, sondern ein grundlegendes Konzept der Psychologie mit dem passenden Namen der Meta-Kognition. Es bedeutet nichts anderes, als dem Denken und Fühlen nicht ausgeliefert zu sein, sozusagen Herr im eigenen Haus zu sein, und stellt eine grundlegende Komponente aller höheren mentalen Vorgänge und Aufgaben dar.
Für den Winter gewappnet!
Wenn man bei sich solche Stimmungsschwankungen und „Wetterfühligkeit“ feststellt, sollte man gerade für die dunklen und manchmal trostlosen Monate gute Strategien entwickeln und diese auch eintrainieren, also zur Routine machen. Nur, wenn man Gewohnheiten zu einem Zeitpunkt entwickelt, zu dem die Probleme noch nicht auftreten, kann man sie bei schlechter Motivation und emotionalen Tiefs auch leicht abrufen. Aber auch wer bereits schwierige innere Verhältnisse bewältigt, sollte sich die Tipps und Tricks zur Herzen nehmen oder nach eigenen Vorlieben Taktiken entwickeln, um dem Herbst-Blues mit guter Selbstwirksamkeit und hoher Resilienz entgegenzutreten.
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