Wie individuell ist Kunstgeschmack?
Wenn Kunstexperten ein Kunstwerk in den Himmel loben, gefällt es uns oftmals ebenfalls. Wissenschaftler führten an der Universität Wien eine Studie durch und stellten fest, dass unser Kunstgeschmack in den meisten Fällen nicht nur von persönlichen Vorlieben, sondern auch in hohem Maße von sozialen Aspekten abhängig ist.
Jeder hat seinen eigenen Geschmack
Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Nicht jedes Kunstwerk findet den gleichen Anklang bei allen Menschen. An manchen Werken scheiden sich die Geister. Dem einen gefällt, was der andere für banal oder sogar hässlich befindet. Doch spielt dabei wirklich unsere Individualität eine zentrale Rolle? Ist es nicht doch eher so, dass wir uns in den meisten Fällen dem allgemeinen Kunstgeschmack der Fachleute anschließen?
Finanzielle und soziale Faktoren
Zusammen mit einem Team von Wissenschaftlern der Universität in Kopenhagen gingen Psychologen der Universität Wien diesen Fragen nach. Sie untersuchten in einer Studie, inwiefern unser Kunstgeschmack von äußeren Faktoren, wie finanziellen Aspekten oder dem sozialen Kontext beeinflusst werden. Für ihr Experiment luden die Forscher 187 Studenten ein. Die Probanden bekamen die Aufgabe, ungefähr 90 verschiedene Gemälde persönlich zu beurteilen.
Einbettung in einen sozialen Kontext
Bevor den Teilnehmern die Bilder gezeigt wurden, wurden sie in zwei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe bekam die Information, dass andere Gruppen bereits zuvor eben diese Bilder beurteilt haben. Bei manchen Gemälden wurde berichtet, andere Studenten hätten die Werke begutachtet, bei anderen wiederum waren es hochrangige Kuratoren, bei wieder anderen beispielsweise Langzeitarbeitslose. Die andere Gruppe der Studenten sollte die Kunstwerke ganz ohne die Nennung eines Kontextes beurteilen.
Beeinflussung durch andere des eigenen Kunstgeschmacks
Als Ergebnis der Studie stellten die Wissenschaftler eindeutig fest, dass sich sämtliche Teilnehmer von den Erfahrungen der anderen beeinflussen ließen, die angeblich die Gemälde zuvor betrachtet und bewertet hatten. So glaubten die Probanden beispielsweise ein Kunstwerk äußerst wertzuschätzen, wenn sie erzählt bekamen, dass Kunstfachleute und Studenten es bereits gelobt hatten. Wenn Arbeitslose jedoch ein Kunstwerk positiv bewertet hatten, so bewerteten die Teilnehmer der Studie die Gemälde meist gegenteilig.
Was teuer ist, muss gut sein
Die zweite Hälfte der Studie bestand darin, auch den finanziellen Aspekt dieses Phänomens zu untersuchen. Hierfür erfanden die Psychologen fiktive Marktpreise für die ausgestellten Kunstwerke. Je niedriger der genannte Preis eines Gemäldes, desto negativer fielen auch die Bewertungen der Studenten aus. War ein Bild jedoch hoch dotiert, begeisterte es die Mehrheit der Teilnehmer.
Pierre Bourdieu scheint recht zu haben
Durch diese Erkenntnis sahen die Experten die Theorie Pierre Bourdieus bestätigt, nach welcher Kunstgeschmack meist als Ausdruck von sozialen Bedürfnissen diene. In diesem Fall sei ein deutliches Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit bei den Probanden spürbar gewesen, so die Wissenschaftler. Dies äußere sich in dem Streben, sich entweder einer bestimmten Gruppe anschließen oder aber sich von einer anderen als negativ empfundenen Personengruppe distanzieren zu wollen. Ob unser Kunstgeschmack wirklich so individuell ist, wie die Kunstwerke der zahlreichen Künstler dieser Erde, bleibt also dahingestellt.
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