Sind Depressionen am Tonfall zu erkennen?
Unsere Stimme spiegelt häufig wieder wie es uns gerade geht. Sind wir unsicher, beginnt sie zu zittern, regen wir uns auf, wird sie schrill oder wollen wir jemanden überzeugen, dann bemühen wir uns um einen festen und ruhigen Tonfall. Forscher haben nun untersucht, ob auch Depressionen anhand unserer Stimmlage zu erkennen sein könnten.
Sogar Babys interpretieren Stimmen
Bei der Stimme handelt es sich keinesfalls um ein Werkzeug, dessen wir uns bedienen können wann und wie wir wollen. Im Gegenteil – unsere Stimme hängt von unserer Psyche ab. Frühere Studien haben bereits ergeben, dass wir anhand der Stimme eines Menschen darauf schließen können, wie alt jemand ungefähr ist, wie viel Kraft er oder sie besitzt und wie groß und schwer jemand in etwa sein könnte. Bereits als Babys sind wir Menschen in der Lage Emotionen über die Stimme unseres Gegenübers zu ermitteln.
Walter Sendlmeier von der TU Berlin ist Experte für Kommunikationswissenschaften und erklärt, diese Eigenschaft der Stimmerkennung sei evolutionär bedingt. Früher sei es ein großer Vorteil gewesen, frühzeitig einschätzen zu können, ob jemand freundlich oder feindselig eingestellt war. Natürlich wird ein Teil unserer Stimme auch von unseren Genen bestimmt. Wie lang unsere Stimmbänder sind oder welche Form Mund und Nase haben, ist erblich bedingt.
Kulturelle Stimmtrends
Auch die Epoche und die jeweilige Kultur dieser Zeit kann eine Rolle spielen. In den 50er Jahren beispielsweise waren hohe Frauenstimmen im Fernsehen sehr beliebt. Mittlerweile sprechen Frauen wieder in einer tieferen Stimmlage, so Sendlmeier. Und auch Männer hätten längst nicht mehr den forschen Kasernenton der 30er Jahre. Stimmexperten sind sogar in der Lage, die Herkunft, den Bildungsgrad und die berufliche Position anhand der Stimme zu erkennen. Menschen in Führungspositionen sollen beispielsweise eher tiefer und mit längeren Pausen sprechen als normale Angestellte.
Depressionen über Stimm-App erkennen
Zahlreiche Studien ergaben außerdem, dass auch der Charakter einer Person anhand der Stimme zu erkennen ist. Extrovertierte Menschen klingen beispielsweise anders als ängstliche und zurückhaltende Personen. Und auch psychische Probleme sollen sich in der Stimme wiederfinden, so Sendlmeier. Nun wäre es durchaus denkbar, eine App zu entwickeln, welche die Stimme des Handy-Besitzers auf Auffälligkeiten untersucht. Sobald nun erhöhter Stress oder Anzeichen von Depressionen in der Stimme gemessen werden, könnte diese App den Besitzer des Smartphones benachrichtigen und eventuelle Therapiemöglichkeiten und Anlaufstellen vorschlagen.
Die eigene Stimme kennen und nutzen
Im Berufsleben ist das Bewusstsein für die eigene Stimme zudem sehr hilfreich. Lehrerinnen und Lehrer können zum Beispiel Kurse besuchen, in denen sie lernen, mit der eigenen Stimme umzugehen und die eigenen Stärken und Schwächen kennenzulernen. Olaf Nollmeyer ist als professioneller Stimmtrainer tätig und berät in diesem Bereich neben Lehrern auch Schauspieler, Dozenten oder Pfarrer. Nollmeyer erklärt, dass nicht nur unsere Emotionen Einfluss auf unsere Stimmlage haben, sondern dass dies auch andersherum der Fall sein kann. Wenn wir lernen, unseren eigenen Klang und Tonfall zu schätzen, können wir meist auch mit Stress und negativen Gedanken besser umgehen, so der Experte. Damit könnten Depressionen also nicht nur anhand der Stimme diagnostiziert werden, die Stimme selbst könnte auch den Ausgangspunkt für eine Behandlung darstellen.
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