Traumata sind vererbbar
Das griechische Wort traumen bezeichnet zunächst einmal eine Wunde, die sich im psychologischen Kontext auf die Seele bezieht. Wir alle erfahren im Verlauf unseres Lebens Verwundungen. Situationen, die uns psychisch belasten, kommen häufiger vor.
Traumata sind aber lebenslange Wunden, Erschütterungen der Seele, die uns in akuten Stresssituationen wieder in den Moment des auslösenden Erlebnis zurück versetzten. Die Hirnforscherin Isabelle Mansuy beschreibt das Trauma erstmalig als vererbbar.
Das Mausmodell
In einem Mausexperiment wurde die Vererbung von traumatischen Dispositionen untersucht. Dafür wurden Jungtiere während der ersten zwei Wochen nach ihrer Geburt von ihren Müttern getrennt. Dies bedeutet für die Nager eine erhebliche Stresssituation, weshalb ihr Verhalten sich im Verlauf ihrer weiteren Entwicklung auffällig gestaltete.
Interesannt ist, dass auch die nachfolgende Generation, die keine Trennung erfahren hat, auffälliges Verhalten zeigte. Daraus leitet die Neuroepigenetikerin die Vererbbarkeit von Traumata ab. Mäuse seien zwar keine Menschen, aber Ähnlichkeiten des Erbguts liegen vor. Das Tiermodell kann zumindest helfen Rückschlüsse auf Verhaltensweisen von Menschen zu ziehen. Auch Depressionen verlaufen nach einem ähnlichen Schema. Vermutet wird, dass die Vererbung über die MicroRNA im Sperma erfolgt. Dies sind Kopien des Erbguts, die für die Aktivität von Genen zuständig sind.
Die Epigenetik
Die Disziplin der Epigenetik, der Frau Mansuy angehört, ist in vielen Wissenschaftskreisen nicht gerne gesehen, da sie das Grundprinzip des Menschen anfechtet. Laut der Epigenetik ist der Mensch keine Konstante – sein Tun und seine Erfahrung beeinflussen seine Gene und sein Ich-sein, welches widerum an die nächste Generation weiter gegeben wird. Somit wird der Mensch zwar mit bestimmten Genen geboren, kann diese allerdings entscheidend beeinflussen. Diese Sichtweise verändert das menschliche Leben entscheidend. Es gibt uns die Möglichkeit jemand anderes zu sein, uns und unsere Nachkommen zu ändern. Die alte „Ausrede“: Wir sind, wer wir sind, verliert zusehends an Gültigkeit.
Epigenetik und Psychologie?
Die Epigenetik setzt sich zwar mit der Psychologie auseinander, unterscheidet sich aber entscheidend von ihr, da sie psychischen Krankheiten zunächst biologisch auf den Grund geht. Sie versteht psychische Krankheiten als Ausdruck eines biologischen Defekts im Gehirn des Betroffenen. Die Epigenetik ist nun auf dem Weg eine Therapieform zu entwickeln, die zunächst genetische Dispositionen beispielsweise durch Blutuntersuchungen ermitteln kann. Medikamentöse Behandlungsweisen sind aktuell kein Thema.
Die Ermittlung der MicroRNA zur Diagnosestellung, wie es bei den Mäusen der Fall war, ist ein erster Schritt, um ein gültiges Diagnoseinstrument zu finden. Der zweite Schritt ist die Einflussnahme auf die verantwortlichen Gene. In diesem Aspekt steht die Epigenetik noch an den Anfängen. Schon heute interessiert sich die Psychiatrie allerdings enorm für ihre Ergebnisse und untersucht daher vor allem die Familiengeschichten der Betroffenen. Gab es vorherige Traumata in der Familie? Sind Mutter oder Vater von Depressionen betroffen gewesen? Die Epigenetik geht davon aus, dass negative Erlebnisse diese psychischen Krankheiten begünstigen können und auf der anderen Seite helfen positive Geschehnisse gegen die Entwicklung dieser Krankheiten. Ein Lebenswandel in Hinsicht auf Ernährung, Familiengründung und Ähnliches kann entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von psychischen Erkrankungen haben.
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