Flugangst: Interview mit Beraterin Nicole Braun-Beustrin

Heilpraktiker für Psychotherapie N. Braun-Beustrin

Flugangst ist weit verbreitet. Nach den jüngsten Komplikationen bei der Billigfluglinie Ryanair gewinnt dieses Thema erneut an Bedeutung. Die Angst hat viele Facetten und häufig trifft es die Betroffenen unerwartet. In vielen Fällen wissen die Menschen nicht, aus welchem Grund die Angst entsteht. Die Vistano-Redaktion befragte zu diesem Thema die Vistano Beraterin N. Braun-Beustrin (Kennung: 5544).

Vistano: Frau Braun-Beustrin, in Ihrer Praxisarbeit beschäftigen sie sich auch mit Panikattacken. Diese weisen Ähnlichkeit mit der Flugangst auf. Wie äußert sich die Angst und was ist eine Panikattacke genau?

Braun-Beustrin: Eine Panikattacke ist ein plötzlich auftretender und beim ersten Mal unerwarteter Angstanfall. Dieser ist vergleichbar mit dem Auftreten von Flugangst. Die Anfälle dauern selten länger als 30 Minuten. Danach nimmt die Angst wieder ab, verschwindet aber nicht vollständig. Die Betroffenen wissen oft nicht, warum sie Angst verspüren. Es gibt in diesem Zusammenhang zwei Arten von Ängsten.

Die natürliche Angst tritt bei Ereignissen auf, die tatsächlich bedrohlich sind. Bei den Panikattacken ist die Angst nicht auf ein reales Angstobjekt bezogen. Sie entwickelt sich vielmehr aus dem Bereich der Vorstellung heraus und muss bei anderen Personen keine Angst auslösen. Während der Panikattacke sind viele verschiedene körperliche Symptome vorhanden. Schwitzen, Übelkeit, Zittern, Herzrasen oder auch ein „Flimmern“ vor den Augen sind typisch. Auch Kopfschmerzen, schnelle Atmung oder Magen- und Darmbeschwerden treten auf.

Beim ersten Mal klagen viele Betroffene über ein Engegefühl in der Brust und ein Gefühl, als würde sich der Hals zuschnüren. Deshalb denken die Betroffenen oftmals, sie hätten einen Herzanfall, weshalb sie einen Arzt konsultieren. Spezialisten können allerdings keine physischen Ursachen für die Symptome ausmachen. Viele Menschen vermeiden die Situation, in der ein solcher Anfall zum ersten Mal ausgelöst wurde. Das Ergebnis ist trotzdem, dass sich die Angst verstärken kann.

Vistano: Wie ist die Flugangst einzuordnen? Wie fühlen sich die Betroffenen?

Braun-Beustrin: Für die Flugangst gibt es nicht eine einzige Ursache. Vielmehr sind die Ursachen individuell ausgeprägt. Es gibt laut einer Studie von 2007 drei Hauptgruppen von Menschen, die von Flugangst betroffen sind. Viele sind mindestens einmal geflogen, ohne dass irgendein Problem auftrat.

Irgendwann trat dann bei weiteren Flügen plötzlich die Angst auf. Die zweite Gruppe ist bereits geflogen und hat während des Flugs schlechte Erfahrungen gemacht, wie Turbulenzen in der Luft oder sogar eine außerplanmäßige Landung, worauf sich die Angst gründet. Wieder andere Personen sind noch nie geflogen und verspüren Angst vor dem Unbekannten. Viele hörten von Bekannten oder Freunden von Komplikationen während eines Fluges. Dadurch werden Ängste geschürt, die bei dem Betroffenen während des ersten Flugs Angst auslösen können.

Grundsätzlich ist die Flugangst, die auch Aviophobie genannt wird, in den meisten Fällen auf den Zeitraum vor dem Flug beschränkt und selten auf andere Situationen außerhalb eines Flugs. Die Gründe, aus denen ein Mensch Flugangst entwickelt, sind mannigfaltig. Sie gehört zu den spezifischen Ängsten und ist sogar eng mit der Klaustrophobie verwandt, also der Angst vor engen Räumen.

Flugangst setzt sich ursprünglich aus anderen Ängsten zusammen, die sich beim Fliegen äußern. Dazu gehört auch die Angst von vielen Menschen, ausgeliefert zu sein oder die Kontrolle abgeben zu müssen. Die Angst vor einem Absturz oder vor Turbulenzen ist ebenfalls häufig zu finden.

Vistano: Nicht immer ist es möglich, einem Flug auszuweichen. Gerade Geschäftsreisende müssen häufig viel Fliegen. Welche Möglichkeiten haben die Betroffenen im Vorfeld, um die Angst zu verhindern oder den Flug auszuhalten?

Braun-Beustrin: Wenn die Betroffenen bereits von ihrer Flugangst wissen, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, um das Risiko einer Attacke zu minimieren. Entspannungsübungen helfen gut gegen die aufkommende Unruhe und gegen die beschleunigte Atmung und das Herzrasen.

Häufig werden auch das autogene Training oder die progressive Muskelentspannung verwendet. Gerade beim An- und Entspannen der Muskeln lenken sich die Betroffenen auch ein kleines Stück weit von ihrer Angst ab. Häufig hilft aber auch eine kognitive Therapie, bei der den Betroffenen rational erklärt wird, wie die Angst überhaupt entsteht und dass die Angst in diesem Fall unbegründet ist.

Angst hat auch einen natürlichen Ursprung. Schließlich mussten die Menschen vor Urzeiten den Adrenalinspiegel in Gefahrensituationen erhöhen, damit sie die Flucht antreten konnten, wenn eine reale Gefahr vorhanden war. Das rettete ihnen das Leben. Beim Fliegen ist die Angst eigentlich unbegründet und sie kann dann durchaus gemildert werden, wenn dies rational erklärt wird.

Dazu müssen die Gedankengänge verändert werden, wie es im Rahmen von kognitiven Therapien erfolgen kann. Viele Fluggesellschaften bieten auch schon Seminare gegen Flugangst an, die über einen oder zwei Tage ausgerichtet werden. Die Seminare helfen ebenfalls sehr gut. Verhaltenstherapie ist gut geeignet, um die Angst zu beherrschen. Dabei soll sich der Betroffene seiner Angst stellen und muss sie lernen auszuhalten – in einem Flugzeug. Entspannungsübungen gehören auch zu dieser Therapie.

Vistano: Sie sagten, dass die Ängste beim ersten Mal überraschend auftreten. Wie muss damit umgegangen werden? Schließlich erfolgte bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Therapie.

Braun-Beustrin: In der Regel ist das Personal auf solche Situationen vorbereitet. Sie wissen, wie sie reagieren müssen, wenn ein Passagier plötzlich panisch wird. Daher können sie helfen, wenn die Flugangst plötzlich auftritt und der Passagier sich zunächst nicht zurechtfindet.

Vistano: Vielen Dank für das Gespräch.

 

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