Paar- & Eltern-Kind-Beziehungen – Beraterin Nadja Id Lefqih

Psychologische Berater N. Id Lefqih

Paare geraten immer wieder in Situationen, in denen sie professionelle Hilfe benötigen. Dies gilt sowohl für die eigentliche Paar-Beziehung, als auch für die Erziehung der Kinder.

Die Vistano-Beraterin Nadja Id Lefqih (Kennung: 5603) berät Paare, die solchen Problemen gegenüberstehen. In einem Interview gab sie Einblicke in die häufigsten Probleme in diesem Bereich und welche Grundsätze eingehalten werden sollten, damit das Familienleben für alle Parteien zufriedenstellend verläuft.

Vistano: Sie beraten vor allem Paare und Eltern. Welche Beratungsanlässe führt die Menschen zu Ihnen?

Lefqih: “Das ist sehr unterschiedlich. Vor allem in längeren Beziehungen ist aber die Kommunikation ein großes Problemfeld. Auch die Sexualität ist immer wieder ein Thema in den Beratungen. Gerade wenn der Partner fremdgegangen ist, stellt sich häufig die Frage, an welcher Stelle Probleme vorliegen. Bei jüngeren Beziehungen wird das Zusammenleben häufig schwierig, wenn ein Kind in die Beziehung integriert wird. Der Fokus liegt dann auf dem Kind, wodurch die Beziehung ihren Schwerpunkt verlagert.

Im Rahmen der Eltern-Kind-Beziehung ist häufig die Aussage zu hören, dass die Eltern ihr Kind nicht mehr verstehen. Das gilt vor allem dann, wenn die Kinder in die Pubertät kommen. Häufig suchen auch Eltern das Gespräch, deren Kinder ADHS haben. Die Kinder merken dann, dass sie anders als Gleichaltrige sind und ziehen sich zurück. Die Eltern wissen oftmals einfach nicht mehr, wie sie nun agieren sollen. Problematisch wird es auch, wenn die Kinder häufig alleine zuhause sind, weil beide Eltern arbeiten.

Sind die Erwachsenen dann zuhause, haben sie trotzdem kaum Zeit und kümmern sich oft um sich selbst. Die Kinder haben dann das Gefühl, nicht wichtig zu sein. Die Eltern müssen oft lernen, dass es wichtig ist, sich Zeit für das Kind zu nehmen. Qualität geht hier vor Quantität. Erziehende müssen nicht den ganzen Tag Zeit für das Kind aufbringen. Allerdings sollte das Kind in den verfügbaren Stunden ganz im Mittelpunkt ihres Interesses.”

Vistano: Was sind für Sie Wegweiser für die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Familie?

Lefqih: “In der Erziehung ist der wichtigste Weg, sich für die Kinder Zeit zu nehmen. Alltägliche Dinge sollten dabei durchaus selbstverständlich sein. Beispielsweise kann die Familie einmal täglich miteinander essen. Hierbei bietet sich die Gelegenheit, miteinander zu reden und einfach Zeit miteinander zu verbringen. Dies suggeriert den Kindern, dass sie wichtig sind. Für die Partnerschaft gelten im Grundsatz die gleichen Regeln. Auch Partner müssen miteinander reden.

Viele Paare machen sich ständig Vorwürfe und reden aneinander vorbei. An dieser Stelle müssen die Paare dann auch lernen, einfach einen Strich unter die Angelegenheit zu ziehen. Das ist allerdings abhängig von der Situation. Wurde der Partner betrogen, ist es nicht leicht, einfach alles zu vergessen. Bei langjährigen Partnerschaften spielen oft andere Probleme eine Rolle. Sehr wichtig ist zudem, dass Freiräume geschaffen werden. Die Partner hatten schon vor der Beziehung einen eigenen Freundeskreis, der auch weiterhin gepflegt werden sollte. Jeder sollte zudem seine eigenen Aktivitäten haben. Dazu muss es aber auch immer gemeinsame Zeiten und Aktivitäten geben.

Die Mischung ist wichtig. Wenn Probleme entstehen, dann müssen diese auch offen angesprochen werden. Wie bei der Beziehung zu einem Kind gilt insgesamt in der Partnerschaft, dass Zuhören und Reden wichtige Wegweiser sind. So banal diese Wegweiser klingen, so treten sie gerade in der heutigen Zeit mehr und mehr in den Hintergrund.”

Vistano: Reden und Zuhören sind wichtig, wie sie sagten. Bedeutet das, dass dadurch Streit vermieden wird oder ist Streit in einer Beziehung wichtig?

Lefqih: “Ab und zu muss es krachen! Wenn Paare lange zusammenleben und nicht streiten, kann dies sehr gefährlich sein. Streit ist wichtig und gehört einfach dazu. Dass Paare 40 oder 50 Jahre zusammen sind und nie gestritten haben, ist unwahrscheinlich. Schließlich ist nicht jeder Mensch gleich und Jedermann hat seine eigenen Ansichten.

Allerdings sollten Paare aufpassen, dass die Streitereien nicht zu schlimm werden. Irgendwann müssen sie auch aufhören und wieder in normalen Bahnen miteinander reden und den Streit vergessen. Auch nachtragend sollte, wenn möglich, niemand sein. Den Partner immer wieder daran zu erinnern, was vor drei oder vier Wochen war, bringt nichts und belastet einfach nur. Zumeist hat ein Streit doch die Aufgabe sich vor allem für den Moment Luft zu machen. Dies sollte nicht in Form von Vorwürfen gegenüber dem Partner erfolgen.”

Vistano: Sie sprachen von ADHS als Problem. Diesem Thema widmen Sie sich auch bei Ihrer Arbeit. Sind die Themen ADHS und Mobbing in den letzten Jahren wichtiger geworden?

Lefqih: “Mobbing und ADHS hat es beides schon immer gegeben. In den letzten Jahren wurde beiden Themen allerdings ein größerer Diskussionsraum beschaffen. Dass es das Phänomen ADHS schon immer gab, kann aus der Geschichte abgeleitet werden. Hoffmann schrieb beispielsweise den Struwwelpeter, in dem ein an ADHS erkranktes Kind den Protagonisten mimt. Auch Mobbing hat es schon immer gegeben.

In den letzten Jahren sind beispielsweise die Klassengrößen gewachsen. Wo viele Menschen sind, ergeben sich auch viele Probleme. Mobbing ist eines davon. Grundsätzlich gab es Mobbing schon immer, es wurde nur nicht als Mobbing bezeichnet. Was sich aber verändert hat, ist die Familie. Früher wurde Mobbing durch die Eltern besser aufgefangen. Sie hatten durch die Rollenverteilung oftmals einfach mehr Zeit für die Kinder.”

Vistano: Wenn es ADHS schon immer gab, warum scheint die Zahl der Fälle heute stark anzusteigen?

Lefqih: “Die Ursachen für ADHS sind zwar genetischer Natur, durch Umweltfaktoren wird der Ausbruch der Erkrankung allerdings begünstigt. Ein geregelter Tagesablauf ist heute immer seltener gegeben. Auch eine Reizüberflutung ist heute nahezu an der Tagesordnung. Stellen Sie sich vor, sie sind drei Jahre alt und nehmen jeden kleinen Reiz auf und müssen ihn verarbeiten.

Sie kommen dann in einen Supermarkt, der voll von Leuchtreklame ist. Das zu verarbeiten ist schon nicht einfach. Dann spielen sie daheim mit ihrem Spielzeug. Das Plüschtier macht ständig Geräusche, die ebenfalls auf das Kind wirken. Natürlich ist der Einsatz von Spielzeugen für die Eltern bequem. Es bietet Ablenkung und die Eltern haben Zeit, da das Kind momentan nur damit beschäftigt ist. Daher ist es für Eltern praktisch Kinder mit ihren Spielzeugen zu beschäftigen. Für Kinder stellen sie allerdings eine Reizüberflutung dar, mit der sie zurechtkommen müssen.

Auch das Fernsehen in jungen Jahren ist ein Problem. Viele Eltern nutzen das Gerät als Beschäftigungsmaßnahme für ihre Kinder. Dabei können die Kinder bis zum Alter von drei Jahren nicht zwischen Realität und Fernsehen unterscheiden. Auch Grenzen werden heute nur selten gesetzt. Gerade das Aufzeigen von Grenzen ist allerdings wichtig. Dies alles sind Faktoren, die begünstigend auf das Problem wirken.

ADHS einzudämmen, ist in der Familie durchaus möglich. Häufig reicht es aus, Interesse für das Kind zu entwickeln und seine Bedürfnisse zu erfassen. Allerdings kann ein ADHS-Kind die Eltern auch überfordern. Die Anforderungen sind vielfältig. Hausaufgabenkontrolle ist nur ein Bereich, bei dem die Kinder konzentriert sein müssen. Daneben gibt es noch viele weitere Aufgaben, die erledigt werden müssen.

Gerade bei einem ADHS-Kind müssen die Eltern ständig hinterher sein, damit die Aufgaben erledigt werden. Das ist sehr nervenaufreibend und kann leicht zu einer Überforderung führen. Daher begeben sich auch viele Eltern in Behandlung oder lassen sich von mir unterstützen.”

Vistano: Was würden Sie Eltern mit auf den Weg geben?

Lefqih: “Eltern müssen viel Geduld und viel Zeit für ihre Sprösslinge mitbringen. Auch Gewalt aus Verzweiflung ist in der Beratung immer wieder ein Thema. Dieser Weg ist niemals der Richtige. Eltern sollten sich viel Zeit für die Kinder nehmen und ihnen Zuhören.

Ist eine gesunde Kommunikationsbasis zwischen Kind und Eltern gegeben, erledigen sich viele Probleme wie von selbst. Natürlich ist es gerade in der heutigen Zeit schwierig seine Zeit “gerecht” zwischen Beruf und Privatleben aufzuteilen, allerdings kann ich Eltern nur ans Herz legen ihre Prioritäten richtig zu setzen.”

Vistano: Vielen Dank für dieses interessante und aufschlussreiche Interview!

 

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